Ist das Family Office die neue Privatbank?

Die Bedeutung von Family Offices steigt, während Privatbanken ihr Leistungsangebot eher reduzieren. Wie ist dies einzuordnen?

Privatbankiers – die vertrauensvollen Alleskönner

Viele Privatbanken, damit meine ich die von Privatbankiers gegründeten Häuser, wurden vor 100-250 Jahren gegründet, um den finanziellen Bedürfnissen der aufstrebenden Handelshäuser und den ersten Industrieunternehmen zu dienen. Erst in der jüngeren Vergangenheit, etwa den letzten 30 Jahren, wurde in Deutschland das klassische Private Banking entwickelt. Dies wurde notwendig, weil Vermögende weitergehende Leistungsanforderungen als Kredite und Sparprodukte haben, die einen individuelleren Ansatz in den Banken notwendig machen. 

Oft kamen die mittelständischen Unternehmer mit ihren privaten Vermögensthemen direkt zu den Privatbankiers, die auch ihre Unternehmensfinanzen begleiteten und fragten sie um Rat. Dies konnten Themen der Übertragung von Unternehmensanteile an Familienmitglieder, Anlage aus Verkaufserlösen oder Auszahlung von vorgezogenen Erbschaften sein. 

Private Banking entsteht aus Nachfrage nach individuellen Vermögensdienstleistungen

Zeitgleich schwappte das immer größer werdende Interesse an Aktien aus den USA nach Deutschland. Die Vermögenden waren besonders an Aktieninvestments interessiert. Die deutschen Banken übernahmen das Modell des Asset Managements bzw. der Vermögensverwaltung aus den USA und wandten es in individueller Form auf ihre reiche Klientel an.  Aufgrund des klaren Geschäftsmodells für Banken und des entsprechend wachsenden Bedarfes, entwickelte sich die Aktienanlage als die dominierende Dienstleistung im Private Banking.

Family Offices übernehmen individuelle Finanzdienstleistungen

In den letzten Jahren gingen die tatsächlichen Angebote in individualisierten Dienstleistungen, wie der gesamtheitlichen Vermögensstrukturierung (bzw. „Financial Planning“) jedoch zurück. Gründe waren das immer aufwändiger werdende Aufsichtsrecht und die wenig skalierbare Dienstleistung der hochindividuellen Problemlösung.

Fast parallel zur Konzentration des Private Bankings auf die Wertpapierverwaltung, wuchs die Zahl der Single und Multi Family Offices stark an.

Ein wesentlicher Grund war, dass durch die Übertragung von großen Unternehmervermögen auf die nächste Generation und die Bildung von neuen Unternehmervermögen (Bspw. durch Exits von Digitalunternehmern) eine entsprechende Nachfrage und Investitionsbereitschaft entstand.

Oft unausgesprochen aber relevant war und ist die Motivation der Kunden von Family Offices, eine Leistungsbreite der Finanzdienstleistungen zu erhalten, die Privatbanken entweder nicht, nicht mehr oder nicht mehr so gerne anbieten.

Vorteile von Family Office Dienstleistungen gegenüber Bankdienstleistungen

Folgende Themen, die die Family Offices heutzutage für ihre Prinzipale (m/w/d) übernehmen bzw. besser lösen, machen dies deutlich:

1. Im Interesse der Vermögeninhabers

Zunächst dienen die Family Offices ausschließlich dem Interesse des Vermögensinhabers, während Banken weitergehende Geschäftsinteressen verfolgen (müssen). 

2. Das Gesamtvermögen im Blick

Family Offices haben immer das Gesamtvermögen im Blick und steuern dies. Bei der vermögensübergreifenden Anlagesteuerung sind die Banken weiterhin schwach. Ihnen fehlt oft der Zugang zu allen relevanten Informationen.

3. Ohne Vertriebsinteresse

Family Offices sind frei von Vertriebsinteressen. Die Auswahl von Finanzprodukten zur Anlage kann frei von Konzerninteressen getroffen werden.

4. Bessere Deal-Strukturen

Family Offices fällt es leichter, sog. Club Deals, d.h. Investments (meist Private Equity oder Gewerbeimmobilien) mit anderen Family Offices zusammen, zu strukturieren. Im Privatkundenbereich von Banken ist dies nicht so einfach, da mit der Ansprache anderer Familien, oft die Offenlegung der Kundenbeziehung gegenüber anderen notwendig ist, welches aus bankrechtlichen Gründen nicht ohne weiteres möglich ist.

5. Alternative Assets

Family Offices tun sich leichter bei der Anlage in Alternativen Anlagen. Hierzu gehören Private Equity, Venture Capital, Kunst, aber auch Krypto-Assets (Kryprowährungen wie Bitcoin, tokenisierte Assets etc.). Wenn keine konkreten Produkte durch die interne Produktkontrolle freigegeben wurden, können Banken in diesen Asset nur schwer beraten. Der Aufwand der Produktauswahl, -prüfung und Kundeninformation ist jeweils sehr hoch. Banken sind deshalb bei der umfangreichen Asset-Beratung im Nachteil. Family Offices sind hier freier, Risiken im Namen ihrer Prinzipale einzugehen.

Zahlen von PWC zeigen, dass sich das Volumen, welches Family Offices weltweit in die alternativen Anlageformen Private Equity und Immobilien gesteckt haben, zwischen 2012 und 2021 auf über USD 230 Milliarden versechsfacht haben.

6. Nachfolgeplanung 

Die Nachfolgeplanung, bei der Privatbanken gerne mithelfen, ist auch zu einem Kerngebiet der Family Offices geworden. Banken können hier meist nur in der Struktur der Vermögensverwaltung helfen. Nachfolgeplanung ist heute jedoch eine interdisziplinäre Gesamtanstrengung von spezialisierten Rechtsanwälten, Steuerberatern, vertrauten psychologischen Know how-Trägern und einer Reihe unterschiedlicher Vermögensmanager. 

7. Unterstützung im philanthropischen Bereich 

Ein wichtiger Bestandteil ist auch die Unterstützungen im philanthropischen Bereich geworden. Hier bieten Privatbanken meist auch individuelle Vermögensverwaltungskonzepte und einen Zugang zu Beratern an. Der Weg von einer Förderidee bis hin zu einer organisierten Stiftung bedarf jedoch einer intensiven Begleitung (Thema der Förderung, Organisation, Beiratsmitglieder, Team, Werbung für den „good cause“ etc.), den die Banken dann doch nicht vollständig begleiten wollen.

8. Kernfunktionen von Banken

Und schließlich erobern sich Family Offices nach und nach auch Kernleistungen von Banken, wie das Cash-Management oder sogar die Stellung von Kreditlinien.

Eine Spaltung des Marktes für Finanzdienstleistungen ist entstanden

Wie sieht die Gegenwart also aus? Family Offices und Privatbanken teilen sich die Dienstleistungen für die Vermögenden auf. Die Banken konzentrieren sich auf standardisierbare Leistungen, wie im Brokerage, Depotverwaltung, Kontoführung und der Aktien – und Fondsverwaltung; Family Offices leisten dagegen individuelle Finanzdienstleistungen.

Ob sich Banken letzteren Teil zurückerobern, oder ob Family Offices auch in den Bereich, standardisierter Finanzdienstleistungen vordringen, wird die Zukunft zeigen. Profitieren sollten durch den Wettbewerb in jedem Fall die Endkunden.

 

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