Durch das Aufkommen und die Weiterentwicklung der Blockchain Technologie ergeben sich neue Chancen der Digitalisierung. Neben den klassischen Kryptowährungen gerät auch die Tokenisierung – also die Erstellung eines digitalisierten Abbilds eines (Vermögens-)Wertes – anderer Assets in den Vordergrund.
Die Boston Consulting Group schätzt das weltweite Potential der Tokenisierung von illiquiden Assets bis 2030 auf über $16 Billionen (dt.), wovon $3,7 Billionen (dt.) auf nicht-gelistetes Eigenkapital und Investmentfonds fallen könnten. Bei der Tokenisierung von Private Equity (PE) oder Venture Capital (VC) Anteilen ergeben sich für verschiedene Parteien neue Chancen. Emittenten könnten die Assetklasse einer deutlich breiten Gruppe an potentiellen Investoren zu geringeren Transaktionskosten zugänglich machen.
Dieser großen Zahl stehen aktuell allerdings überschaubare, reale Umsatzvolumen entgegen. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über zu beachtende Themen und beantwortet die Frage, warum trotz technischer Möglichkeiten und den sich ergebenden Chancen ein großer Durchbruch bisher ausblieb.
Bei der Umsetzung der Tokenisierung von PE- und VC-Anteilen gilt es, die technische Grundlage richtig umzusetzen und gleichzeitig rechtliche Aspekte des Vorhabens zu beachten.
Technisch muss die Infrastruktur einer Blockchain geschaffen oder genutzt werden. Dabei kann entweder eine existierende Blockchain (z.B. Ethereum oder Polygon als “Layer-2-Solution” für die Ethereum Blockchain) oder eine eigene private Blockchain genutzt werden. Auf Basis dieser Blockchain werden Token emittiert, welche mittelbar die Wertentwicklung des Fonds abbilden können. Diese Token werden auch als Security Token bezeichnet.
Security Token werden in Deutschland als digitales Wertpapier angesehen und fallen somit unter das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG). Grund hierfür sind laut Bafin die Übertragbarkeit, die Handelbarkeit und mit den Token verknüpfte Rechte. Hierzu zählen sogenannte mitgliedschaftliche und/oder vermögensmäßige Rechte. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird in §1 auf Schuldverschreibungen begrenzt. Eine rein digitale Ausgabe von Eigenkapital-Anteilen ist in Deutschland (noch) nicht erlaubt. Dem Erwerber entsprechender Security Token muss daher bewusst sein, dass keine direkten Anteile an einem PE- oder VC-Fonds erworben werden, sondern beispielsweise tokenisierte Schuldverschreibungen einer Firma, welche wiederum in einen entsprechenden Fonds investiert.
Eine mögliche Struktur für den Vertrieb von PE- oder VC-Fondsanteilen an Privatpersonen ist, dass zusätzlich zu anderen Investoren des Fonds, eine weitere Partei als GmbH in Form eines “Special Purpose Vehicles” (SPV) als “Limited Partner” bei dem Fonds investiert. Im selben Zuge emittiert die Gesellschaft Fremdkapital in Form einer Schuldverschreibung, welche wiederum tokenisiert werden kann. Hierdurch entsteht für den Anleger ein Solvenzrisiko des Emittenten der Token. Durch die Nutzung eines SPVs wird dieses Risiko allerdings eingeschränkt, da der einzige Zweck der Gesellschaft das Herausgeben der Token ist. Gleichzeitig entsteht hierdurch eine zusätzliche rechtliche Struktur.
Durch nationale Gesetzgebungen ist der Vertrieb von PE- oder VC-Fonds an Privatpersonen an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. In Deutschland ist beispielsweise nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) die Einstufung eines Investors als semiprofessioneller Anleger notwendig. Eine wesentliche Voraussetzung für solch eine Einstufung ist neben Kenntnissen in der Anlageklasse die Verpflichtung, mindestens €200.000 zu investieren. Diese Regelung soll dem Schutz von privaten Anlegern dienen und dafür sorgen, dass ihr Geld nicht in zu komplexe und riskante Arten der Vermögensverwaltung investiert wird.
Durch die Ausgabe und Tokenisierung von Schuldverschreibungen, anstelle von direkten Beteiligungen an einem alternativen Investmentfonds (AIF), fällt die notwendige Einstufung als semiprofessioneller Investor – und die damit verbundene Mindestinvestitionssumme von €200.000 – weg. Dies liegt daran, dass der Token als digitales Wertpapier nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und dem elektronischen Wertpapiergesetz (eWpG) angesehen wird und nicht als klassische Vermögensanlage nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlgG) und dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB).
Die Tokenisierung von PE-Fonds-Anteilen bietet für verschiedene Teilnehmer neue Möglichkeiten und Chancen. Während Fonds Zugang zu einer breiteren Masse an möglichen Investoren erhalten, bietet sich aus der Sicht von Kleinanlegern die Möglichkeit, das eigene Portfolio weiter zu diversifizieren. Geringere Investitionssummen, mehr potentielle Anleger und die Möglichkeit, Token auf der Blockchain leicht zu übertragen, bieten ebenfalls gute Voraussetzungen für einen liquidieren Sekundärmarkt. Ebenfalls bietet die Blockchain Technologie in einigen Bereichen effiziente Lösungen, was eine übersichtliche Datenspeicherung, automatisierte Prozesse und geringere Kosten mit sich bringen kann. Dies wäre ebenfalls für alle beteiligten Parteien von Vorteil.
Verantwortlich für die Lücke zwischen dem Potential der Tokenisierung und der Realität sind verschiedene Herausforderungen, welche aktuell bestehen. Durch die bereits vorhandene Blockchain Technologie und die damit einhergehende Möglichkeit der Tokenisierung betreffen die Herausforderungen vorwiegend die Rahmenbedingungen anstelle technischer Hürden. Diese Rahmenbedingungen werden in den folgenden Absätzen behandelt.
Findung der richtigen Zielgruppe
Es stellt sich die Frage, ob Kleinanleger überhaupt die richtige Zielgruppe für Private Equity Investments sind. Einerseits ist die Assetklasse vielen Investoren nicht bekannt, was einen erhöhten Erklär- und Marketingaufwand mit sich bringt und andererseits sind die Strukturen komplex und für viele Situationen der Vermögensanlage ungeeignet. Grund hierfür ist unter anderem die Illiquidität der Assetklasse. Um diese Herausforderung zu meistern, muss das Angebot tokenisierter Fonds zunächst an der richtigen Stelle adressiert werden und anschließend eine gute Aufklärung über die Assetklasse erfolgen. Ziel soll es nicht sein, Fondsanteile an eine möglichst breite Masse zu verkaufen, sondern Investoren zu erreichen, die ohnehin an Vermögensanlagen interessiert sind, für alternative Anlagen wie Private Equity oder Venture Capital, aber nicht über genug Vermögen verfügen. Diese Zielgruppe kann über bestehende Infrastruktur, also zum Beispiel Hausbanken oder auch Neo-Broker, erreicht werden.
Schaffung von Liquidität
Während ein Sekundärmarkt für Token den Anlegern die Möglichkeit bieten könnte, die tokenisierten PE- und VC-Anteile jederzeit zu kaufen oder zu verkaufen – was gleichzeitig mehr Liquidität in der Assetklasse bedeuten würde – stellt sich die Frage, inwiefern dies in der Praxis geschehen würde, denn: niemand möchte seine Anteile unter Wert verkaufen. Einen fairen Wert zu ermitteln ist aufgrund der Knappheit von Informationen über PE-Investitionen aber nur bedingt möglich. Um diese Herausforderung zu bewältigen, muss Investoren der Umstand der Illiquidität zunächst bewusst sein. Des Weiteren könnte man je nach Reportingfrequenz des Fonds einen Sekundärmarkt nur einmal monatlich oder quartalsweise “öffnen”, nämlich im Anschluss an ein neues Reporting des Fonds. Um dies zu ermöglichen, muss die Struktur eines Marktplatzes geschaffen und betrieben werden.
Schaffung schlankerer Strukturen
Auch eine versprochene höhere Effizienz und damit einhergehende geringere Kosten für Anleger sind bisher noch nicht in der Praxis angekommen. Dies liegt vor allem an der zusätzlichen rechtlichen Struktur, welche für die Tokenisierung notwendig ist. Außerdem fehlt im Markt noch Wettbewerb, welcher die Kosten für Anleger senken könnte. Ein weiterer Ansatz wäre, dass die “Tokenisierung GmbH” aus der beschriebenen Struktur nicht durch einen Drittanbieter eingesetzt wird, sondern dass ein Fonds selbst eine Tranche des gesamten Kapitals für Privatanleger tokenisiert.
Unsichere rechtliche Grundlage
Dazu kommt, dass die rechtliche Lage den “Umweg” über Schuldverschreibungen zwar zulässt, ursprünglich für Investments in alternative Investmentfonds aber eine Hürde von einem Mindestinvestment in Höhe von €200.000 vorgesehen war. Die Unsicherheit, dass der Regulator hier mit zunehmender Aktivität ebenfalls aktiver wird, bleibt. Weitere Regulierungen, beispielsweise in Form von Anforderungen an Erlaubnispflichten oder Verkaufsprospekte, sind nicht auszuschließen. Inwiefern dies der Fall sein wird, ist unklar. Klar ist, dass die Bafin sich bereits intensiv mit den Themen rund um Security Token beschäftigt. In einem aktuellen Merkblatt zu dem Thema schreibt die Bafin:
“In Deutschland existiert im Zusammenspiel von europäischen und nationalen Gesetzen ein sicherer und präziser Rahmen für die Bewertung von Krypto-Token. Dieser wird auch bereits erfolgreich genutzt. So konnten seit Januar 2019 erste Token-Wertpapierprospekte gebilligt werden. Ob ein Krypto-Token […] aufsichtsrechtlich relevant ist, beurteilt die BaFin deshalb technologieneutral anhand der bestehenden Gesetze und anhand des jeweiligen Einzelfalls.”
Eine solche Prüfung eines Einzelfalls hat unter anderem dazu geführt, dass die BaFin am 13.12.2022 der Firma Econos Invest GmbH die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf eines tokenisierten Venture Capital Produktes aufgrund „erheblicher Bedenken für den Anlegerschutz“ untersagt hat.
Die technischen Möglichkeiten einer Tokenisierung von PE-Fonds-Anteilen sind gegeben und erste Akteure probieren sich in der Praxis an dem Thema. Wenn Herausforderungen aus dem Weg geschafft werden und sich auf den Erfolg des Vorhabens konzentriert wird, kann die Tokenisierung Vorteile für alle Marktteilnehmer bedeuten. Dennoch sind es in Deutschland besonders die risikoaverse Anlagekultur und der gesetzliche Rahmen, welche einen Durchbruch bisher erschwerten. Langfristig gilt es diese Herausforderungen zu meistern, was zur Folge haben könnte, dass sich Investitionen von Privatanlegern in alternative Anlageklassen positiv entwickeln. Bei einem Investitionsvorhaben im aktuellen Markt sollte man allerdings nur mit Vorsicht und intensiver Due Diligence an den Erwerb von PE-Fonds-Anteilen denken.
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