Liebe Leserinnen und Leser,
die Art Basel ist eine feststehende Größe im Jahreskalender der internationalen Kunstbranche. Als weltweit tonangebende Messe im Bereich zeitgenössischer Kunst ist die Veranstaltung alljährlich der Dreh- und Angelpunkt der Branche. Künstler, Galeristen, Kunstberater, Versicherungen, Museumsdirektoren, die Führungsriegen renommierter Auktionshäuser und Finanzexperten: Nirgendwo ist die Dichte derer, die im Kunstmarkt bestimmen, wo es langgeht, höher als während der Art Basel Woche. Nirgendwo lässt es sich effizienter Netzwerken als hier.
„11 Uhr oder 16 Uhr?“ Diese Frage erregt in den Tagen vor der Eröffnung der Art Basel die Gemüter. Sie tut es in jedem Jahr, denn nicht weniger als die Frage der Rangordnung im Kunstmarkt wird hier geklärt. Was sich nach Shuttlezeiten für den messeeigenen BMW-Service anhört, ist in der Tat die Entscheidung zwischen VIP und VVIP: Very important person (Preview) und very, very important person (First-Choice). „11 Uhr oder 16 Uhr?“ klärt die Frage, wer an die wertvollsten Eintrittstickets zur Vorbesichtigung kommt, die die Art Basel zu bieten hat.
Die Messe ist streng hierarchisch organisiert, zumindestens was den Einlass betrifft. Die Schweizer Bank UBS als Hauptsponsor der Messe, ebenso wie die kleineren Sponsoren, u.a. AXA Art, die Champagnermarke RUINART oder das Art Loss Register, eine in London ansässige Datenbank, die gestohlene Kunstwerke registriert, haben die Möglichkeit, so genannte First-Choice-Tickets an ihre wertvollsten Kunden zu vergeben. Die First-Choice-Tickets berechtigen zum Eintritt jeweils am Dienstag um 11 Uhr in dieser, auch wirtschaftlich für die Stadt und die Region, sehr wichtigen Woche. Mit fünf Stunden Zeitvorsprung vor den Preview-Ticketinhabern, die ab 16 Uhr auf die Messe gelangen, wird an jenem Dienstag in Basel von allen Teilnehmern sehr genau registriert, wer in der First-Choice und wer in der Preview-Liga spielt. Allen gemein ist, dass sie entweder zum Who-is-Who der internationalen Kunst- und Kunstsammlerelite gehören oder eben wichtige Kunden der Sponsoren sind.
In der Collector’s Lounge und der Innenhofrotunde sieht man auch in diesem Jahr den Global Head of Art der Deutschen Bank, Friedhelm Hütte, arrivierte Künstler wie Markus Lüpertz und aufstrebende Künstlerinnen wie Ulrike Theusner, Sammlerin Karen Boros sowie (ehemalige) Auktionshausinhaber wie Robert Ketterer und Simon de Pury ins Gespräch mit Kollegen und Kolleginnen vertieft. Wenn die Messe am Donnerstag in der Art Basel Woche offiziell alle Besucher willkommen heißt, hat die führende Kunstriege Basel bereits wieder verlassen.
An diesem Dienstag 2022 um kurz vor 11 Uhr sind es 30 Grad in Basel. Art Basel ist, wenn sich die vermögendsten 1% der Bevölkerung in einer Schlange anstellen müssen. Auch das First-Choice-Ticket schützt vor dem Warten und Anstehen in der Sonne nicht und so finden sich mehrere hundert Kunstinteressierte vor den Eingängen zur Messe ein und warten geduldig auf den Security und Ticket Check. Diejenigen, die einiges an Kunstmesseerfahrung mitbringen, kommen in Designerkleidern von Dior, Chanel und Fendi, gepaart mit Turnschuhen. In Basel geht das. Unbequeme Schuhe entlarven zielsicher diejenigen, die zum ersten Mal auf dieser Messe sind.
In diesem Jahr hat die Art Basel, die zum Mutterkonzert MCH Group gehört und Ableger in Hong Kong, Miami Beach und in diesem Jahr erstmalig auch in Paris hat, 289 Galerien aus 40 Ländern zugelassen. Die Zulassung einer Galerie für die Art Basel gleicht einem Ritterschlag. Wer auf der Art Basel ausstellen darf, zahlt zwar bis zu 80.000 € Gebühren für einen Messestand, gehört damit aber zur internationalen A-Liga auf dem Kunstmarkt. Entsprechend begehrt sind die Einladungen, sich dort präsentieren zu dürfen. Die Art Basel fand zum ersten Mal 1970 statt. Damals nahmen 90 Galerien teil. Heute entscheidet ein Auswahlkomitee bestehend aus sieben bekannten Galeristen und Galeristinnen, u.a. Sadie Coles und Peter Freeman, mit Sitz in London, Berlin, New York, Kalkutta, Turin und Brüssel über Zu- und Absage.
In und um Basel ist viel los, während die Art Basel in der Stadt logiert. In den Tagen vor dem Messebeginn bringen Kunstlogistiker die millionenschwerversicherten Kunstwerke in die Ausstellungshallen. Die Mittlere Brücke, eine der Hauptbrücken über den Rhein, die Kleinbasel mit Großbasel verbindet und direkt an dem Superior Hotel Les Trois Rois liegt, ist mit durchgängig mit Art-Basel-Fahnen beflaggt. Die Stadt identifiziert sich sehr stark mit der Messe. Und das Les Trois Rois wiederum identifiziert sich sehr stark mit den einflussreichsten Messebesuchern. Hier ein Zimmer als Außenstehender während der Art Basel Woche zu buchen, ist im Prinzip unmöglich: „Nous sommes désolés, alle Zimmer sind bereits ein Jahr im Voraus vergeben.“
Nicht nur die Art Basel lässt den Kulturfaktor im Kanton Basel-Stadt im Juni explodieren. Neben der Hauptmesse gibt es während der Art Basel Woche eine ganze Reihe von so genannten Satellitenmessen wie die LISTE oder die VOLTA, die junge, noch unbekannte Positionen zeigen. Große Museen, wie die Fondation Beyeler in Riehen oder das Kunstmuseum Basel, zeigen in diesem Jahr Ausstellungen, die Piet Mondrian, El Greco und Pablo Picasso gewidmet sind. Die Stadt ist voller Menschen, die an Kunst und Kultur interessiert sind und das Stadtbild in zum Teil exzentrisch gekleideter Manier, wie es in der Kunstbranche üblich ist, prägen. Das ist Basel im Juni.
So genannte Mega-Galleries wie Hauser & Wirth, Pace, Gagosian und Zwirner, internationale Marktführer im Galerienbereich, zeigen Arbeiten von Pablo Picasso, Louise Bourgeois, Georg Baselitz, Roy Lichtenstein, Cy Twombly und Donald Judd. Bei Larry Gagosian werden die Arbeiten sogar ohne helfende Hinweisschilder auf den Künstler gezeigt. Nur die Kunstwerke werden gehängt, ansonsten sind die Wände blank.
Das hohe Einmaleins in der Kunst ist es, Kunstwerke anhand der „künstlerischen Handschrift“ zu erkennen. Also einen Picasso anhand typischer Motive und Pinselführung zu identifizieren oder Farbkraft und Formgebung einem Roy Lichtenstein zuzuordnen. Am Stand der Gagosian Gallery können ungeübte Besucher und Besucherinnen dies in diesem Jahr wunderbar ungewollt üben. Wer allerdings nach der Auflösung sucht, wird nicht umhinkommen, einen der Galeriemitarbeiter anzusprechen. Und das stellt für viele Messebesucher, aus Angst, „als unwissend entlarvt zu werden“, eine unüberwindbare Hürde dar. Profitipp: Steigen Sie mit einem selbstbewussten Gesicht und dem folgenden Satz in das Gespräch ein: „Ich möchte gern mehr zu diesem Gemälde erfahren. Was können Sie mir dazu sagen.“ Deuten Sie wie beiläufig auf das Kunstwerk. Niemand wird merken, dass Sie den Picasso an der Wand nicht erkannt haben.
Und wenn Sie im Gespräch sind, fragen Sie auch gern nach dem Preis. Nur weil dieser nicht öffentlich angezeigt wird, heißt das nicht, dass Sie ihn nicht erfahren dürfen. Der Preis will allerdings persönlich erfragt werden. Der passende Satz zum entsprechend entspannten Gesichtsausdruck wäre zum Beispiel: „Für wieviel bieten Sie dieses Kunstwerk an? Brutto/ Netto? Euro oder US$? “ Mehr braucht es nicht. Die Profis fragen nicht anders.
Die großformatige Stahlskulptur „Spider“ aus dem Jahr 1996 der französisch-US-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois (1911 – 2010), die am Stand von Hauser & Wirth gezeigt wurde und von Kennern als Werk der Künstlerin auch ohne Schild hätte identifiziert werden können, wechselt noch an besagtem Vorbesichtigungsdienstag für US$40m den Eigentümer. Die Skulptur mit den Maßen 3,2 x 7 x 7,5 m ist ein Unikat, war für Besucher und Besucherinnen frei zugänglich und gehörte bis zum Verkauf Ursula Hauser, der Mutter von Galeristin Manuela Hauser. Zukünftig wird die Spinne Bestandteil einer privaten, nicht öffentlich genannten Sammlung sein. Gezeigt werden kann das überdimensional große Kunstwerk allerdings nur in Innenräumen, da das Material kaum rostfrei und somit nicht für den Außenbereich geeignet ist.
Kunst auf internationalem Niveau im Außenbereich wird es in diesem Jahr aber noch zur Genüge zu sehen geben. Vor wenigen Tagen wurde die alle fünf Jahre stattfindende documenta in Kassel eröffnet. Und auch die Anfang Oktober in London stattfindende Kunstmesse FRIEZE wird ihren Besuchern, wie in jedem Jahr, eine außergewöhnliche Skulpturenausstellung im Regent’s Park bieten. Vorher aber trifft sich die Kunstwelt in der kommenden Woche in Maastricht zur Eröffnung der TEFAF (The European Fine Art Fair). Und wer im November noch Kunstluft und Messekondition hat, ist herzlich eingeladen, die ART COLOGNE in Köln zu besuchen. Das internationale Who-is-Who des Kunstmarktes wird in London, Maastricht, Köln und Kassel sein. Und Kunst ist auch da.
Sie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen