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13. November 2020

Weniger Bussi-Bussi. Mehr Business.

Kunstmessen im digitalen Corona-Zeitalter

 

Die Messetermine in der Kunstwelt sind gesetzt. Die Branche tickt im Rhythmus der jährlich stattfindenden Kunstmessen. Sie sind nicht nur feste Bestandteile des nationalen und internationalen Sehen-und-Gesehen-Werdens, sondern ein qualitativer Gradmesser dessen, was die einzelnen Galerien und Kunsthändler über das Jahr verteilt gesondert in Ihren Depots sammeln, um sich damit unter anderem in London, Basel und Maastricht zu präsentieren. Die Dinner und Meetings, welche abseits der Gespräche am Messestand stattfinden, sind dabei der Umschlagplatz für preisintensive Sales, die die Kunstwelt zu dem macht, was sie ist: Ein diskreter Markt, der vom persönlichen Miteinander lebt. Die Euphorie der scheinbar grenzenlosen Möglichkeit, globale Kunstmessen per Mausklick zu besuchen und dabei nichts zu verpassen, ist mittlerweile vielfach verflogen. Wer den vollen Messekalender stets auch als stressig empfunden hat, sucht mittlerweile aktiv nach dem nächsten analogen Kunsterlebnis.

 

Die Kalender von Sammlern, Galeristen, Versicherern, Logistikern und Marktteilnehmern richten sich nach den großen Kunstmessen: The European Fine Art Fair Maastricht im März, die Art Cologne Köln im April, die ARTBASEL Basel im Juni und die FRIEZE & FRIEZE MASTERS London im Oktober, die ARTBASEL Miami Beach im Dezember. Als sich am 11. März 2020 auf der TEFAF (The European Fine Art Fair) in Maastricht – aufgrund der ersten Corona-Welle eilig anberaumt – die Türen fünf Tage vor Messeende schlossen, begann eine neue Ära in der Kunstbranche. Was lange nicht für möglich gehalten wurde, glich einer Zäsur im kunstbetrieblichen Miteinander: die Digitalisierung des Messesektors.  Die TEFAF war bis zu diesem Wochenende im März 2020 die letzte Kunstmesse, welche in Teilen noch analog stattfand. Erst jetzt Ende Oktober haben die Veranstalter der HIGHLIGHTS in München, einer kleinen internationalen Messe für Kunst und Antiquitäten, das geschafft, was die Art Cologne, ARTBASEL und FRIEZE nicht umsetzen durften oder umsetzen konnten: Ein Live-Event. Seit März 2020 sind so genannte Online-Showrooms bzw. das Online-Viewing als Ersatz für die Messen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Die Newsletter und Einladungen, den großen und kleinen Kunstmessen sowie den damit einhergehenden Begleitprogrammen wie Paneldiscussions online zu folgen, überfluten seitdem regelrecht die Emaileingänge von Sammlern, Family Offices, Banken und Kunstberatern. Friendly-Reminder-Emails erreichen ihre Adressaten im Stundentakt und konkurrieren um die Aufmerksamkeit potentieller und langjähriger Kunden.

Um den Corona-Einschränkungen Rechnung zu tragen, wurde ein ganzer Handelssektor in Rekordzeit in das Onlinesegment verlegt, denn nicht zuletzt machen die Messeumsätze einen Großteil des Jahresumsatzes der teilnehmenden Galerien aus. Der aktuelle ART BASEL Marktreport 2020 geht davon aus, dass im vergangenen Jahr ein globaler Messeumsatz von 16,6 Milliarden US-Dollar erzielt wurde. 15 % der Geschäfte werden dabei vor den Messen, 64 % während der Messetage und 21 % nach den Ausstellungen als direktes Ergebnis einer Messeteilnahme generiert.  Im Ergebnis dazu wurde den Galeristen ein Online-Viewingroom zugewiesen, um dort virtuell das hauseigene Messeangebot vorzustellen. Per Registrierung und Log-in-Daten gibt es den Zugang zur jeweiligen Messe. Der Vorteil: Für Interessenten ist es seitdem möglich, die Kunst internationaler Messen von New York bis London bequem vom eigenen Sofa aus zu studieren. Der Nachteil: Die Kunstwerke sind in den Showrooms nichts weiter als digitale Abbilder ihrer selbst. Keine Aura, kein haptisches Erlebnis, kein direkter Austausch zwischen Käufer und Verkäufer. Die Showrooms sollen kompensieren, was nicht zu kompensieren ist: Das direkte Kunsterlebnis.

Trotz aller Neuerungen ist Eines beim Alten geblieben: Digitalisierung bedeutet nicht zwangsläufig auch Gleichberechtigung. Nach wie vor gibt es das System der exklusiven Preview-Veranstaltungen. Das Betreten der Virtual-Reality-Galerien folgt einem streng hierarchischen System. Wichtige Sammler zuerst, alle Schaulustigen ein paar Tage später. Nachzuvollziehen ist dieser Umstand insofern, als das der Platz auf einer physischen Messe begrenzt ist und schon alleine aus diesem Grunde den professionellen Sammlern und vermögenden Kunden, die auch wirklich kaufen wollen, das Recht eingeräumt wurde, das Angebot vorab in Ruhe zu studieren. In einem Online-Showroom aber tritt einem niemand auf die Füße, Platz ist praktisch unbegrenzt vorhanden.

Die Euphorie der scheinbar grenzenlosen Möglichkeit, globale Kunstmessen per Mausklick zu besuchen und dabei nichts zu verpassen, ist mittlerweile vielfach verflogen. Wer den vollen Messekalender stets auch als stressig empfunden hat, sucht mittlerweile aktiv nach dem nächsten analogen Kunsterlebnis. Die HIGHLIGHTS in München, die am vergangenen Wochenende in der Residenz stattfand, war für viele Kunstinteressenten ein willkommener erster Schritt zurück zur Normalität. Aktuell war der Zugang zur Messe zwar nur nach vorheriger Körpertemperaturmessung möglich, aber sie waren da: Kunstwerke und Galeristen. Dankbar wurde dieses Angebot von vielen Besuchern angenommen. Nicht wenige trafen sich zuletzt live auf der TEFAF in Maastricht im März. 27 Aussteller passten ihr Ausstellungskonzept auf die örtlichen Gegebenheiten an. 100 Besucher, die sich vorab online registrieren mussten, wurden zeitgleich eingelassen. Dr. Alexander Kunkel, Initiator der Messe, benennt die Vorteile: „Die Übersicht der angemeldeten Besucher gibt jedem Galeristen die Möglichkeit, Gespräche mit den einzelnen Kunden zeitlich besser zu planen. Eine normale Kunstmesse gleicht in den ersten Previewtagen nicht selten einem Speed-Dating zwischen Käufern und Verkäufern. Durch die Corona-Auflagen fallen im Moment Champagnerempfänge und damit auch die Messebesucher weg, die nur zum Socializing hier sind. Keine Häppchen, keine Ablenkung. Weniger Bussi-Bussi, mehr richtiges Business. Das ist sehr angenehm.“

Den Flyer der Münchener Messe zierte im Übrigen ein Kunstwerk von Gerhard Richter, das am Stand der Düsseldorfer Galeristen Ute Eggeling und Michael Beck hing. Das Kunstwerk, Ölfarbe auf Alucobond, als Edition von 110 Unikaten aufgelegt, stammt aus dem Jahr 1996. Damals erwarb es ein Sammler zum Preis von 10.000 €. Derselbe Sammler ließ das Werk soeben in München über das Düsseldorfer Haus verkaufen. Für 400.000 €. Kunstinvestment trifft Kunstmesse.

Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass die Messeurgestein TEFAF ihren traditionellen Messetermin im März verlässt und im kommenden Jahr für Ende Mai in Maastricht angekündigt wurde, um mehr Zeit zwischen die Messe und die zweite Corona-Welle zu bringen. In der Kunstwelt ist aktuell nur noch wenig so, wie es vorher war. Aber The show must go on. Und wenn nicht anders möglich, dann eben in einem der zahlreichen Online-Showrooms auf den Kunstmessen von London bis New York.

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